Niederrhein: Lerchenspornblüte in der Momm-Niederung

Der Hohle Lerchensporn hat hier ein Massenvorkommen. Deshalb lohnt die Niederung des Mommbachs speziell im März einen Besuch. In Voerde bildet der Bach ein kleines Delta. Er verzweigt sich in zwei Mündungsarme, die durch einen verlandeten Altarm des Rheins fließen. Unterwegs sind brütende Störche zu sehen, Kopfbäume und Streuobstwiesen, mit etwas Glück auch Rehe und sogar Steinkäuze. Außerdem liegen die uralten Dörfer Götterswickerhamm und Löhnen am Weg, deren Ursprünge bis ins 5. Jahrhundert zurückreichen sollen. Typischer könnte eine Niederrheinlandschaft kaum sein. Der Rundweg, den ich hier beschreibe, dauert mit Pausen knapp drei Stunden. Weitere Hinweise und den Link zu einem Routenplan findest du am Ende des Beitrags.

Träge fließt der Rhein bei Götterswickerhamm dahin. Der eigenartige Ortsname soll sich einem fränkischen Ritter namens Godert verdanken, der hier einst einen Wick, also eine umzäunte Siedlung, errichtete. Der „Hamm“ war sein Heim. Ein Blick von der Rheinpromenade zum gegenüberliegenden Ufer zeigt ein Stück Auenwald im Orsoyer Rheinbogen.

Ich folge der Beschilderung des Radweges „NiederRheinroute“ in Richtung Knotenpunkt 87 und treffe noch mitten in Götterswickerhamm auf der Spiel- und Schützenwiese auf die ersten Lerchensporne. Etwa ein Viertel aller Exemplare blühen bei dieser Art weiß, die anderen rosa bis violett. Sie stehen munter durcheinander und geben ein buntes Bild ab.

Die Pflanzen wachsen zu Füßen einer uralten Gerichtslinde. Hier befand sich zur Zeit von Karl dem Großen um das Jahr 800 eine Thingstätte, wie ich einer Tafel entnehme. Später tagte an der Linde das Schöffengericht Götterswickerhamm. Vor dem Baum steht ein Grabstein von 1574. Zu der Zeit wurde Lerchensporn bereits als Zierpflanze kultiviert. So ist es gut möglich, dass er hier gezielt ausgepflanzt wurde. Eigentlich ist er eine Art der Mittelgebirge und gilt im Norddeutschen Tiefland als Stinsenpflanze, also vom Menschen angesiedelt. Stinsen ist das friesische Wort für Steinhäuser, bei denen es sich früher um noble Gebäude handelte. Also um Schlösser, Gutshöfe, Klöster und Kirchen, die über Ziergärten verfügten.

Am Ortsrand hat ein Storchenpaar schon sein Nest bezogen. Um 1940 waren Weißstörche völlig vom Niederrhein verschwunden, aufgrund von Bodenentwässerung und tödlichen Stromleitungen. Erst kurz vor der Jahrtausendwende begannen sie wieder in der Region zu brüten. Jetzt werden es immer mehr, Nisthilfen unterstützen sie dabei. Manche bleiben über den Winter, die meisten ziehen dann aber nach Süden, oft nach Spanien, Portugal und Nordafrika. Ab Anfang März kehren sie an den Niederrhein zurück.

Kopfbäume, das Wahrzeichen des Niederrheins, sind in der Momm-Niederung meistens Eschen. Diese Baumart kommt von Natur aus in der Hartholzaue vor, die hier einst wuchs. Um Brennholz zu gewinnen, hat man die schnellwüchsigen Bäume früher alle paar Jahre in Kopfhöhe abgeschnitten. Der Holzertrag war reichlich. Heute ist der Erhalt der Kopfbäume ein Anliegen des Natur- und Landschaftsschutzes und erfolgt oft ehrenamtlich.

Ob der Lerchensporn seinen Namen der Ähnlichkeit der tütenförmigen Blüte mit der Haube der Haubenlerche oder der spornförmigen Kralle der Feldlerche verdankt, ist unklar. Das Laub verschwindet kurz nach der Blüte, die höchstens bis Mitte April anhält. Danach bleiben nur die unterirdischen Knollen, die im nächsten Frühjahr wieder austreiben. Die Knollen sind sehr giftig und bleiben so von Wühlmäusen verschont.

Die Art ist wichtig für die Ernährung der Hummelköniginnen, nachdem diese ihr Winterquartier verlassen haben und neue Staaten bilden. Hier macht sich eine Dunkle Erdhummel an den Blüten zu schaffen, eine sehr häufige, besonders große und zeitig im Jahr fliegende Hummel.

Aber auch Zitronenfalter, die Kälte gut vertragen und schon beim ersten Frühlingswetter unterwegs sind, schätzen die Lerchenspornblüten als Futterquelle.

Neben den Kopfbäumen sind auch Streuobstwiesen typisch für die Landschaft am Niederrhein. Auf den nassen, oft überschwemmten Auenböden war früher kein Ackerbau möglich. Eine Alternative bot der Obstanbau. Vorwiegend kultivierte man Äpfel, aber auch Birnen, Quitten und Mispeln. Hochstämmige Obstbäume kamen dann aus der Mode, da sie schwierig abzuernten sind. In der Momm-Niederung blieben allerdings rund 7000 von ihnen erhalten. Durch den Natur- und Landschaftsschutz kommen sie inzwischen wieder zu Ehren. Es werden sogar neue Streuobstwiesen angelegt.

An einer Infotafel gönne ich mir das Hörerlebnis zum Thema Steinkauz. Die kleine Eulenart tarnt sich so gut, erfahre ich, dass man sie praktisch nie zu Gesicht bekommt. Ihr Vorkommen ist gefährdet, da sie von Natur aus in Baumhöhlen brütet, wie sie in alten Obstbäumen oder Kopfbäumen zu finden sind. Diese sind aber immer seltener geworden. Als Ersatz dienen spezielle, längliche Nistkästen. In der Umgebung kann ich keine entdecken. Aber zufällig sah ich ein paar Tage später ganz woanders einen solchen Kasten, den ich euch hier zeigen möchte. In diesem Fall wurde er allerdings von Meisen zweckentfremdet, die ein- und ausflogen. Übrigens beherbergt Nordrhein-Westfalen etwa drei Viertel des Gesamtbestands an Steinkäuzen in Deutschland, weiß Wikipedia. Viele davon leben am Niederrhein, andere im Münsterland.  

Ob Käuze lieber in solchen Hohlräumen in Baumstämmen brüten würden? In diesem Fall unwahrscheinlich, denn dieser Kopfbaum steht unmittelbar neben dem Weg und die Höhle befindet sich viel zu nah am Boden.

Der Steinkauz ernährt sich vorwiegend von Regenwürmern. Seine zweite wichtige Nahrungsquelle, Mäuse, muss er mit dem Mäusebussard teilen. Erwartungsvoll kreisen gerade etwa zehn Bussarde hoch über der angrenzenden Wiese. Vielleicht machen sie auf dem Frühjahrsdurchzug hier Station. Denn nur während ihrer Reisen finden sie sich in größerer Zahl zusammen.

Bei diesen Kopfbäumen handelt es sich um Weiden. Zu ihren Füßen breitet sich ein Lerchenspornteppich aus, wie überall hier am Wegrand.

Ab und zu mischt sich ein Wald-Gelbstern unter die Lerchensporne, vor allem nördlich von Löhnen und auf dem Querweg zum Weiler Schanzenberg, in den ich nun einbiege. Die zarte Zwiebelpflanze fällt nach der frühen Blüte schnell in sich zusammen und ist dann den Rest des Jahres nicht mehr zu sehen. Auch der Gelbstern ist oft aus Kirchhöfen oder Parks schon vor langer Zeit verwildert, kommt aber von Natur aus ebenfalls in Flussauen vor. Deshalb ist es schwer zu sagen, ob der Standort hier natürlich ist oder nicht.

Ein kleines Rudel Rehe äst in einiger Entfernung auf einer Wiese. Wachsam schaut eines der Tiere herüber.

Bevor der Rhein hier Ende des 18. Jahrhunderts komplett eingedeicht wurde, konnte seine Aue nur auf kiesigen Flussterrassen und vor allem auf Warften besiedelt werden, künstlich aufgeschütteten Hügeln. Eigentlich sind Warften eher von der Nordseeküste bekannt. Löhnen ist das südlichste Warftendorf in Deutschland. Es gibt noch einige trutzige alte Bauernhöfe in Backsteinarchitektur, die auf solchen Hügeln stehen. Bei Hochwasser, das die Höfe manchmal wochenlang vom Rest der Welt abschnitt, kamen Boote zum Einsatz. Jeder Hof hatte einen Bootsschuppen.

Löhnen hat keine Kirche, dafür aber den Löhnener Kirchweg, der Richtung Südosten aus dem Ort herausführt. Früher machten sich hier die Dorfbewohner am Sonntag zu Fuß auf den Weg, um den Gottesdienst in Götterswickerhamm zu besuchen. Für mich ist diese Strecke die letzte Etappe der heutigen Tour. Unterwegs sehe ich ein weiteres, schon von einem Paar besetztes Storchennest.

Und das ist die romanische Kirche von Götterswickerhamm. Vielleicht wurde sie schon im 10. Jahrhundert gegründet. Nach einem preußischen Baumeister, der im 19. Jahrhundert Pläne für ihre spätere Renovierung entwarf, nennen die Dorfbewohner sie Schinkelkirche. Ganz in der Nähe liegt die Rheinpromenade, auf der es nach links nicht mehr weit zum Parkplatz ist. 

Ausgangspunkt für meine Exkursion war der kostenfreie Parkplatz Rheinpromenade (GPS 51.579467, 6.665912) in Götterswickerhamm. Das Hauptvorkommen des Hohlen Lerchensporns in der Momm-Niederung erstreckt sich entlang des markierten Radwegs „NiederRheinroute“, der auf der Straße Unterer Hilding den Ort nach Norden verlässt. Zurück ging es dann über Löhnen. Du kannst die beschriebene Tour auch mit dem Fahrrad durchführen, sie verläuft ausschließlich auf asphaltierten Wegen. Allerdings übersieht man vom Fahrrad oft interessante Details. Anfahrt mit Öffis: Bus Linie 81 der NIAG ab Voerde bzw. Wesel, Rückfahrt auch von Löhnen möglich. Einen Streckenplan habe ich bei Komoot eingestellt.

Hier ist mein heutiger Einkehrtipp, eigentlich sind es gleich zwei Tipps. Kurz vor Erreichen des Parkplatzes in Götterswickerhamm liegen an der Rheinromenade zwei nette Ausflugslokale. Im Biergarten Rheinwacht kann man sich Getränke in Selbstbedienung holen und damit in Liegestühlen mit Blick auf die vorbeiziehenden Rheinschiffe relaxen. Nebenan hat das Restaurant Zur Arche eine schöne Caféterrasse.

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