Münsterland: Im Tiergarten von Raesfeld

Auch Schlossgärten können wild sein. Dies gilt ganz besonders für den Tiergarten des Wasserschlosses Raesfeld. Im 17. Jahrhundert wurde er als Jagdpark angelegt, in dem Dam- und Rothirsche als lebender Proviant gehalten wurden. Im 19. Jahrhundert verwilderte die Anlage und wurde zu einem Waldgebiet, das von einem Band aus Teichen und Bächen durchzogen ist. Gehölzgruppen, Erlenbrüche und Lichtungen bilden ein Mosaik, von dem es heißt, es würde die Parklandschaft des Münsterlands im Miniaturformat abbilden. Seit der 2003 gegründete Tiergartenverein Schloss Raesfeld das Gelände betreut, wird die Anlage Schritt für Schritt nach einem alten Plan von 1729 revitalisiert. Wir haben eine große Runde durch den Tiergarten gedreht, dafür rund zwei Stunden gebraucht und zwar kein Wild gesehen, dafür aber viele andere interessante Tiere und Pflanzen. Praktische Hinweise findest du am Ende des Beitrags. 

Unsere Tour beginnt bei Schloss Raesfeld. Es wurde ab 1643 von Graf Alexander II. von Velen errichtet, der einige Jahre später auch den Tiergarten anlegen ließ. Zuvor hatte an dieser Stelle eine mittelalterliche Burg gestanden. Aber schon ab dem 18. Jahrhundert wurde das Schloss kaum noch genutzt und verfiel allmählich. Im 20. Jahrhundert wurde es restauriert und befindet sich heute im Besitz der Gemeinde Raesfeld.

Nachdem wir die Schlossanlage durchquert haben und am nördlichen Wassergraben entlangspaziert sind, gelangen wir zum Weinbergteich. Er stammt aus der Gründungszeit des Parks, der in diesem Teil ursprünglich dem Vergnügen der Schlossbewohner und ihrer Gäste diente. Auf der Insel im Teich soll damals ein Lustpavillon gestanden haben. Auch gab es offenbar einen mit Delfinen und Nymphen verzierten Brunnen. Jetzt haben Kormorane hier eine kleine Kolonie gegründet. Die Teiche im Tiergarten sind mit Zandern und Rotaugen besetzt, was reiche Beute für die Vögel verspricht.

Durch ein Gatter betreten wir den Tiergarten. Hier begleitet uns jetzt der Lange Teich. Seine Oberfläche ist noch dicht mit Wasserlinsen bedeckt, die auch Entengrütze heißen, da Enten sie gerne verspeisen. Bald werden die winzigen Pflanzen zum Grund des Gewässers abtauchen, um dort frostfrei zu überwintern. Wasserlinsen blühen nur selten. Sie vermehren sich fast ausschließlich vegetativ, wobei sich ihre Zahl im Sommer innerhalb weniger Tage verdoppeln kann.

Der Lange Teich entstand im 18. Jahrhundert im formalen Barockstil. Wichtig war den damaligen Gartenarchitekten die Blickachse zum Schlossturm, der sich im Teich spiegelt.

Der Laubmischwald hüllt sich in herbstliche Farben.

Wir passieren den Ottoteich. Der Sage nach soll Ritter Otto einst mitsamt Pferd und Wagen darin versunken und nie wieder aufgetaucht sein. Das Wasser des aufgestauten Teichs trieb eine Mühle an, der Mühlstein liegt noch am Ufer. Unterhalb der kleinen Staustufe plätschert der Mühlbach weiter durch den Tiergarten.

Diese Eiche ist mehr als 400 Jahre alt und damit älter als der Park.

Außer einheimischen Laubbäumen ist auch die Rosskastanie im Park vertreten. Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet sind die Gebirge Albaniens und Mazedoniens. Im 16. Jahrhundert wurde sie in Mitteleuropa eingeführt und war in den Parks der Adeligen ein begehrter Exot. Gerne wurden ganze Alleen mit dem stattlichen Baum bepflanzt. Damals war die Miniermotte noch kein Thema. Hier sind an den Blättern deutlich die Fraßgänge der Larven dieses Kleinschmetterlings zu erkennen. Die Motte stammt aus der Heimat der Rosskastanie, breitete sich aber erst seit den 1980er-Jahren überall in Europa aus. Die Bäume sterben durch den Befall nicht ab, verfärben ihr Laub aber schon früh im Jahr und entwickeln nur sehr kleine Früchte.

Früher wurden Aufgüsse aus zerkleinerten Kastanien als Hustenmittel bei Pferden eingesetzt. Inzwischen ist man davon abgekommen, da in den Früchten enthaltene Giftstoffe ein Risiko für die Tiere darstellen. Ob die Rosskastanie ihren Namen daher hat, ist umstritten. Vielleicht heißt sie auch so wegen der hufeisenförmigen Blattnarben. Die Blattstiele ähneln tatsächlich Pferdehufen. 

Das Pfaffenhütchen bringt Farbe in den Herbstwald. Der Strauch besiedelt in Mitteleuropa vorwiegend die Ränder von Auenwäldern in tieferen Lagen. Seine Früchte sollen an die vierkantigen Kopfbedeckungen katholischer Priester erinnern. Manchmal wird der Strauch auch Rotkehlchenbrot genannt, da die Früchte im Winter als Vogelnahrung dienen.

Diese Ruine blieb von einer weiteren der vier Wassermühlen, die Anfang des 18. Jahrhunderts der damalige Schlossherr errichten ließ. Sie steht etwas außerhalb des Tiergartens, den wir kurz zuvor durch eine Pforte verlassen haben.

Wir halten uns ein paar Meter nach links auf der Straße und gehen dann links durch eine weitere Pforte wieder in den Park, um eine Schlinge des Landstreifers abzukürzen. Früher umgab den Tiergarten an Stelle des heutigen Zauns ein Palisadenwall, um das Wild darin zu halten. An dem langen, geraden Wegstück, das nun folgt, wurden auf dem noch gut erhaltenen Wall wieder Palisaden gesetzt. Ein Tiergarten gehörte früher als Jagdpark zu jedem Schloss, das etwas auf sich hielt. Das Wild diente als lebender Proviant. Bei Bedarf wurden Hetzjagden veranstaltet.

Mitten im Wald sprudelt die gefasste Wellbrockquelle aus zwei Bohrungen in einem Findling. Durch den Forellenteich und den Mühlenbach fließt ihr Wasser in die Issel, die ebenfalls in Raesfeld entspringt. Es handelt sich um eine artesische Quelle. Unter natürlichem Druck stehendes Grundwasser quillt aus 10 Metern Tiefe herauf, ohne dass es gepumpt werden muss. Der Begriff artesisch leitet sich von der französischen Provinz Artois ab, wo im Mittelalter erstmals artesische Brunnen gebohrt wurden, um Grundwasser anzuzapfen, das zwischen undurchlässigen Gesteinsschichten eingeschlossen war.

Herbstzeit ist Pilzzeit. Hier ein Röhrling, wahrscheinlich ein Herbstrotfuß.

Der Grünblättrige Schwefelkopf ist stark giftig. Er wächst auf Totholz, wie hier auf einem Baumstumpf, zersetzt dieses und spielt damit eine wichtige Rolle im Kreislauf der Natur.

Der Dunkle Hallimasch macht sich als Parasit an lebende Bäume heran, indem er ihre Wurzeln angreift und ihnen Nährstoffe entzieht. Bereits geschwächte Bäume kann er dadurch zum Absterben bringen. Aber auch er trägt zur Zersetzung von Totholz bei.

Auch eine Heide gehörte schon zu der ursprünglichen Anlage. Pfeifengras hat mittlerweile die Besenheide und Glockenheide zurückgedrängt. Es entwickelt jetzt seine bronzene Herbstfärbung.

Unter den Singvögeln sind Rotkehlchen besonders zutraulich. Dieses neugierige Exemplar wartet in der Nähe einer Sitzbank in der Hoffnung, gefüttert zu werden. Leider haben wir nichts Geeignetes dabei. Während das Rotkehlchen sich den Rest des Jahres eher von Insekten und anderen Kleinsttieren ernährt, nimmt es im Herbst auch Früchte und Sonnenblumenkerne an. Es sucht übrigens nicht nur die Nähe des Menschen, sondern auch anderer Säugetiere. Zum Beispiel wartet es, wenn Wildschweine die Erde durchwühlen, ob dabei Würmer ans Tageslicht kommen. Das Rotkehlchen verabschiedet uns aus dem Tiergarten. Bald stehen wir wieder an unserem Ausgangspunkt.

Ausgangspunkt ist der Parkplatz Hagenwiese (GPS 51.762357, 6.827932) beim Naturparkhaus Tiergarten Schloss Raesfeld, einem der Besuchs- und Informationszentren des Naturpark Hohe Mark. Bei Anreise mit Öffis: An der Haltestelle Raesfeld Schloss hält der Rheinlandbus 72 (Wesel Bahnhof – Raesfeld), von dort 5 Min. zu Fuß bis zum Schlosshof. Nächstgelegene Bahnhöfe sind Borken und Dorsten, von dort Busse nach Raesfeld Kirche (20 Min. Fußweg zum Schloss).

Unser gut 5 km langer Tourenvorschlag folgt im Wesentlichen dem Landstreifer-Rundwanderweg „Auf den Spuren Graf Alexanders II“. Im Naturparkhaus (Öffnungszeiten hier) erhält man einen Flyer des Wanderwegs und den Plan „Wanderwege im Tiergarten“. Außerdem habe ich einen Plan der von uns vorgeschlagenen Route bei Komoot eingestellt. Der Tiergarten ist von einem Zaun umgeben, aber durch Gatter jederzeit frei zugänglich. Infos zum Naturpark Hohe Mark findest du hier.

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