Sauerland: Herbststimmung am Wilzenberg

Der „heiliger Berg des Sauerlands“ ist berühmt für seinen verzauberten Buchenwald. Mit 658 Metern ist der Wilzenberg zwar nicht höchster, dafür aber markantester Gipfel der Region und seit Jahrhunderten Ziel von Wallfahrten. Mich lockt jetzt im „Goldenen Oktober“ die Herbstfärbung der Blätter hierher. Aber auch im Mai zur Waldmeisterblüte lohnt der Besuch. Etwa 150 Meter Höhenunterschied auf Waldpfaden klingen nicht viel, es geht aber teilweise steil hinauf. Zwei Stunden solltet ihr unter Berücksichtigung ausgiebiger Foto- und Ruhepausen veranschlagen. Hinweise zur Anreise und den Link zur Tourenkarte findet ihr am Ende des Beitrags.

Du brauchst vom Wanderparkplatz Wilzenberg nur den Markierungen des Friedrich-Wilhelm-Grimme-Wegs (X27) nach rechts zu folgen. Dies hier ist die zweite Etappe des insgesamt 84 Kilometer langen, nach einem sauerländischen Heimatdichter benannten Fernwanderwegs. Schon nach wenigen Schritten umfängt mich der Buchenwald. Bucheckern übersäen den Boden. Dazu ihre dekorativen Fruchtbecher, aus denen sie herausgeplatzt sind. Offenbar war es ein gutes Jahr für die Rotbuche, denn nur nach einem heißen, trockenen Sommer produziert sie reichlich Früchte. Davon können Eichhörnchen, Wildschweine und Vögel nicht alle verputzen. So bleibt genügend Saat für die Vermehrung der Bäume übrig. 

Im Halbdunkel eines Heiligenhäuschens am Wegrand hockt eine Christusfigur mit Kelch, der Blutschwitzende Heiland. Auf keinen Fall dürft ihr von hier aus den unmarkierten Abstecher zum Brauers Deyk verpassen, dem Bruderteich. Der kurze, aber knackige Anstieg führt links hinauf. Erstes buntes Herbstlaub schwimmt auf dem moorigen Gewässer, das von wilder Vegetation eingerahmt wird. Einladend steht eine Holzbank daneben. Der aufgestaute Quellteich heißt nach einem Klosterbruder. Laut einer alten Chronik lebte dieser seit dem Jahr 1508 oben auf dem Wilzenberg als Eremit, gewährte Pilgern Unterkunft und empfing Almosen dafür. Aus dem Teich schöpfte er das Wasser für sich, seine Gäste und das Vieh.

Der weitere, steile Anstieg würde vom Teich aus direkt zum Gipfel führen. Ich möchte aber den alten Prozessionsweg zum Wilzenberg erkunden. Also zurück zum Heiligenhäuschen. Von dort wende ich mich schräg links hinauf und orientiere mich jetzt wieder an der Markierung des Friedrich-Wilhelm-Grimme-Wegs. Es ist ein windiger Oktobertag. Am Himmel wechseln sich Sonnenschein und dicken Wolken rasch ab. In diesem Moment tanzen gerade Sonnenflecken zwischen den Bäumen. Zwei rührende Pilgerstationen mit Bildnissen der heiligen Magdalena und des heiligen Stephan säumen in einigem Abstand den lauschigen Waldweg. Überall am Boden verteilen sich die Blattquirle des Waldmeisters, dessen Blüte um diese Jahreszeit natürlich längst vorüber ist. Aber sie stehen immer noch gut im Saft. Bereit, mit der Photosynthese noch einmal richtig loszulegen, jetzt wo die Baumkronen sich lichten.

Die strahlend weiße Marienkapelle stammt aus dem 17./18. Jahrhundert. Seitlich daneben steht ein Freialtar mit einer Kreuzigungsgruppe, die den ans Kreuz genagelten Jesus und die mit ihm zusammen hingerichteten Räuber zeigt. Ringsherum im Wald verlieren sich die Wälle einer eisenzeitlichen Fliehburg. Dorthin konnten sich die Menschen bei Kriegsgefahr zurückziehen und von dem damals wohl kahlgeholzten Gipfel weit über das Land blicken, um Angreifer rechtzeitig zu erspähen.

Wenig weiter überragt ein 28 Meter hohes Metallkreuz die Baumwipfel. Schon 1626, mitten im Dreißigjährigen Krieg, ließ der Abt des Klosters Grafschaft hier ein erstes aus der Ferne sichtbares Holzkreuz errichten. Es sollte von der Treue der Sauerländer zum katholischen Glauben künden. An Kreuzwegstationen vorbei erreiche ich den Wilzenbergturm. Die Stahlkonstruktion von 1889 mit dem Spitznamen Eiffelturm steht unter Denkmalschutz. Um die Aussicht zu genießen, muss ich eine Wendeltreppe mit 50 Stufen bis zur ersten Plattform und weiteren 34 zur zweiten bewältigen. Aber die Anstrengung hat sich gelohnt. Aus luftigen 17 Metern Höhe fotografiere ich die beginnende Herbstfärbung des Waldes. Aufgeregt zwitschern Spatzen in den Baumkronen und huschen von Ast zu Ast. Einsam zieht weiter oben ein Greifvogel seine Kreise. Am Horizont zeichnen sich die Silhouetten benachbarter Bergketten ab.

Blick vom Wilzenbergturm

Denkbar wäre es jetzt, über die Nordflanke des Wilzenbergs im großen Bogen zum Parkplatz zurückzukehren. Doch ich erkunde lieber noch ausgiebig den Gipfelbereich, lege eine Picknickpause ein und trete dann den Rückweg im kurzen Bogen an. Dazu wende ich mich vom Turm zunächst weiter nach Osten. An dieser weniger besuchten Flanke des Berges wird es noch uriger. Der frühmittelalterliche innere Ring der Fliehburg ist hier deutlich zu erkennen. Ein Durchlass kommt wie gerufen.

Dahinter geht es steil hinunter zu einem breiten Weg. Auf diesem wende ich mich rechts bis zu einer x-förmigen Kreuzung und dort geradeaus weiter auf dem Wanderweg A4. Details am Waldboden springen mir ins Auge. Zum Beispiel Zweige mit goldgelbem Eichenlaub, die ein Sturm wohl erst kürzlich abgerissen hat. Herbstzeit ist Pilzzeit. Junge Boviste sprießen aus einem moosbewachsenen Baumstumpf. Noch sind sie prall gefüllt. Bald werden sie bei der geringsten Berührung aufplatzen und ihr Sporenpulver großzügig verstreuen. 

Der A4 ist in diesem Abschnitt zwar breit und befestigt, aber autofrei. Wie eine Pergola überspannen Baumkronen den Weg. Dieser führt am Heiligenhäuschen vorbei zum Wanderparkplatz zurück. Dort leuchten die letzten Blüten der Saison, darunter das Wilde Stiefmütterchen in bunten Farben und die Pfirsichblättrige Glockenblume in kräftigem Blau.

Bei Anreise mit dem Pkw startet ihr am besten am Wanderparkplatz Wilzenberg (GPS 51.153741, 8.320445), denn in der Ortsmitte von Grafschaft sind die Parkmöglichkeiten begrenzt. Alternativ fahrt ihr mit Linienbus S40 (Schmallenberg-Winterberg-Niedersfeld) der RLG bis Grafschaft-Kirche und geht durch die Straße „Am Wilzenberg“, den Markierungen des Wilzenberg-Wegs über Sellmanns Linde (hohe alte Linde mit Altar und Wegkreuz) folgend, zum Wanderparkplatz Wilzenberg (ca. 30 Min.). Bei Komoot findet ihr Karte und Höhenprofil zu der vorgeschlagenen Tour.

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