Moseltal: Zur Goldasterblüte in die Dortebachschlucht

Das älteste Naturschutzgebiet an der Mosel, vor fast 100 Jahren gegründet, zählt zu meinen Lieblings-Ausflugszielen. Heute bin ich wegen der Goldastern hier, die im Frühherbst die Blühsaison beenden. Schon beginnt die Färbung der Laubbäume in allen Rot- und Gelbtönen. Aber auch zu anderen Jahreszeiten bietet das Dortebachtal zahlreiche Naturerlebnisse. Die An- und Abstiege auf dem fünf Kilometer langen Rundweg  haben fast alpines Format. Trittsicherheit ist auf den schmalen, rutschigen Pfaden unbedingt erforderlich! Genusswanderer sollten für die Tour mindestens zwei Stunden veranschlagen. Hinweise zur Anreise und den Link zur Tourenkarte findet ihr am Ende des Beitrags.

Vom Wanderparkplatz an der Moseluferstraße führt eine kurze Bahnunterführung in eine andere Welt. Das Rauschen des Verkehrs weicht dem Plätschern des Dortebachs. Ein Eidechsensymbol markiert den Wanderweg. Wenige Meter weiter kündigt eine Tafel die Smaragdeidechse als Besonderheit des Naturschutzgebiets an. Bestimmt lebt sie rechts im alten Steinbruch oder dahinter in den aufgelassenen Weinbergterrassen. Allerdings habe ich sie an diesem warmen Oktobertag nicht gesehen. Vermutlich musst du dich stundenlang auf die Lauer legen, um eines der scheuen Tiere zu Gesicht zu bekommen.

Links raschelt eine Mauereidechse im Gestrüpp, immerhin! Fotografiert werden will sie nicht, jedenfalls nicht von mir. Schon huscht sie davon. Dieses Reptil, das sich von der häufigeren Zauneidechse durch die geringere Größe unterscheidet, besiedelt in Deutschland vor allem die Weinberge. Immer öfter wohnt es auch in den Schotterbetten von Bahngleisen. Beides ist hier in der Nähe vorhanden. Zur Illustration greife ich auf das Bild eines Tierfotografen zurück.

Foto: Shasti bei Pixabay

Doch ich hoffe auf die Goldaster. Die Blüte dieser seltenen Pflanze fällt in die letzten September- und ersten Oktobertage. Dieses Highlight hebe ich für das Ende der Tour auf. Zunächst wandere ich am Dortebach entlang, wobei ich die Abzweigung des Moselsteigs nach rechts ignoriere. Der Weg dringt immer tiefer in die schattige Schlucht ein. Über Holzbrücken wechselt er zwischen den Bachufern hin und her. Ein Dickicht aus Bäumen, Farnen und Lianen überwuchert das Tal. 

Zu Beginn setzt noch der Blutrote Storchschnabel mit seinen auffälligen Blüten Akzente. Später überwiegen beruhigende Grüntöne. Meterlange, dicke Efeustränge hängen von den Bäumen und lassen an tropische Regenwälder denken. Dazu passt die schwüle Luft. Glitschige Felsstufen sind durch ein Drahtseil gesichert, an dem ich mich entlanghangele. Im finstersten Winkel des Tals versteckt sich mein erstes Ziel, der Wasserfall. Mit 15 Metern ist er einer der höchsten der Eifel, doch nach dem trockenen Altweibersommer kaum mehr als ein Rinnsal. Moosteppiche überwachsen seine Flanken. 

Jetzt folgt der anstrengendste Teil. An die 250 Höhenmeter windet sich ein Zickzackpfad den Hang hinauf. Die Eichen ringsherum werden immer knorriger. Wedel des immergrünen Tüpfelfarns sind zu riesigen Polstern zusammengewachsen. Schieferplatten ragen schräg aus dem Berg, an manchen kleben schwefelgelbe Flechten. Baumpilze beginnen an heruntergefallenen Ästen ihr Zersetzungswerk. An lichten Stellen schweift mein Blick zur anderen Talseite, wo das Laub sich allmählich herbstlich verfärbt. 

Auf der Hochfläche verschnaufe ich und nehme erst jetzt den erdigen Geruch des Waldbodens bewusst in mich auf. Wildbienen schwirren aufgeregt über eine sonnige Lichtung, auf der Suche nach späten Blüten. Ein paar Minuten lang raste ich auf einem umgestürzten Baumstamm und genieße die Ruhe. Dann schlendere ich im Bogen durch das oberhalb des Wasserfalls überraschend flache Dortebachtal hinüber zu einem weiteren Plateau. Hier liegt der Annischerhof abgeschieden und idyllisch inmitten von Bergwiesen. Die neue Wegführung berührt (abweichend zu verschiedenen Karten) das Hofgelände nicht mehr, sondern folgt am Waldrand dem Moselsteig mit Fernblick zum Hunsrück.

Dann quert der Weg ein kurzes Waldstück und hält – der Sonne entgegen – auf eine schräg abfallende Wiese voller Goldastern zu. Wie der Name sagt, sind ihre Blüten goldgelb. Sie wanderten von ihrer ursprünglichen Heimat in den südosteuropäischen Steppen schon vor langer Zeit bis zum Mittelrhein und der Mosel. Dort besiedeln sie warme und trockene, gern sogar felsige Stellen und gelten als botanische Kostbarkeit. Nicht zuletzt wegen ihrer späten Blüte.

Vorsichtig, um die Pflanzen nicht zu beschädigen, lasse ich mich neben der Asternwiese auf dem sonnengewärmten Boden nieder. Durch den Perspektivwechsel kommt die Vielfalt des Biotops noch besser zur Geltung, finde ich. Für den stattlichen Apollofalter, der auf der schon erwähnten Tafel abgebildet ist und am Dortebachtal eines seiner letzten Refugien hat, ist es wohl zu spät im Jahr. Dafür sind viele andere Schmetterlinge noch unterwegs. Eifrig saugen sie Nektar an den Blüten der Astern und der sie begleitenden, pinkfarbenen Kartäusernelken. So auch ein Perlmuttfalter, der mir vor die Kameralinse kommt.

Ein schmalerer Pfad führt weiter. An einer Gabelung dürft ihr nicht versäumen, links abzubiegen zum Kasteschkopp oder Castorkopf (nach dem Missionar Castor von Karden, der im 4. Jahrhundert an der Mosel das Christentum predigte). Von der Felsnase erwartet euch ein Panorama über das Moseltal, das hier ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheit fast schnurgerade verläuft. Rechts lugt der Winzerort Klotten mit der Burgruine Coraidelstein um die Ecke. Anschließend folgen Serpentinen bergab durch den Wald. Unten am Dortebach erreicht ihr über eine Brücke den schon bekannten Talweg, dort links zurück zum Wanderparkplatz.

Der Wanderparkplatz (GPS 50.168498, 7.213223) an der Moseluferstraße B 49 zwischen Klotten und Pommern ist klein. Daher früh am Tag kommen! Bei Anfahrt mit Öffis ab Bahnhof Klotten auf dem markierten Moselsteig 800 Meter entlang der Bahnstrecke zum Ausgangspunkt. In Bahnhofsnähe an der Uferstraße auch weitere Parkmöglichkeiten. Markierung: Eidechse (bis Annichenhof), dann Moselsteig-Logo. Weitere Infos in einem Flyer, der in einem Kasten am Parkplatz ausliegt. Das Betreten der Wege im Naturschutzgebiet erfolgt auf eigene Gefahr, diese dürfen nicht verlassen werden. Bei Komoot findet ihr Karte und Höhenprofil zu der vorgeschlagenen Tour.

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