Madeira: Wilde Steilküste im Westen

Eine seltene Flora entfaltet im Frühjahr ihre Blüten in diesem rauen, durch salzhaltige Meeresgischt geprägten Gebiet. Sowohl das schroffe Tal des Wildbachs Ribeira do Tristão als auch die schmale Küstenebene Calhau unter der Steilküste von Achadas da Cruz sind botanische Fundgruben. Der vorgeschlagene Wanderweg Vereda da Ladeira steigt steil in das schroffe Tal hinab und weiter zum Felsstrand des Calhau das Achadas. Hinauf geht es dann mit der steilsten Seilbahn Europas, die 450 Höhenmeter auf kürzester Strecke überwindet. Weitere Hinweise und der Link zu einem Wanderplan stehen am Ende dieses Beitrags.

So sieht die vor mir liegende Strecke von oben aus, vom Miradouro Ponta da Ladeira. Mein Ziel ist die schmale Ebene unten am Meer, der Calhau das Achadas.

Steil und durch kiesiges Geröll auch recht rutschig führt die Vereda da Ladeira den Hang hinunter, auf das Tal der Ribeira do Tristão zu. An dessen gegenüberliegender Flanke ist schon der weitere Wegverlauf zu erkennen.

Am Wegrand wächst der Prächtige Natternkopf, eine der schönsten Wildpflanzen Madeiras. Seine himmelblauen, gern von Hummeln aufgesuchten Blütenkerzen treibt er von März bis Mai. Er ist endemisch, kommt also nirgendwo sonst außer auf Madeira vor.

Seltsame Pflanzengestalten kleben an den Felswänden neben dem Weg. Das ebenfalls endemische Drüsenäonium, ein scheibenförmiges Dickblattgewächs, fängt gerade an zu blühen. Eher unscheinbar, aber skurril sind die grün-weißen Röhrenblüten des Venusnabels, der seinen Namen der Form seiner Blätter verdankt.

Eine waghalsige Brücke überspannt die Schlucht der Ribeira do Tristão.

Nachdem die Brücke passiert ist, hängt der Fels bald über dem Weg. Rechts geht es senkrecht in die Tiefe. Zwischen dem Abgrund und mir steht nur ein schmales Gebüsch. Wacker hält sich die Madeira-Levkoje im bröckeligen vulkanischen Tuffgestein. Ihre violetten Blüten bilden einen unglaublichen Kontrast zu dessen rötlicher Färbung. 

Rückblickend ist die Schlucht mit Bäumen und Sträuchern in allen Grüntönen gefüllt. Hier wächst die selten gewordene Küstenvariante des Lorbeerwalds, die viel Schatten und Feuchtigkeit benötigt. Nur vier besonders schwer zugängliche und daher unbesiedelte Bachtäler blieben auf Madeira von der Kanalisierung wegen Hochwassergefahr verschont, eines davon ist das Tal der Ribeira do Tristão.

Der grobe Steinstrand an der Mündung des Wildbachs sieht unerreichbar aus. Dennoch führt eine steile, abenteuerliche Treppe hinunter.

Von unten sieht es dann so aus. Kurz vor der Mündung hat die Ribeira do Tristão eine extrem schmale Klamm, fast schon ein Felstor, geschaffen.

An diesem Strand möchte niemand baden.

Über einen Schuttfächer auf schmalem, abrutschgefährdetem Pfad wandere ich zu der kleinen Küstenebene hinüber, an der Talstation der Seilbahn vorbei. Dort beginnt eine richtige Meerespromenade, die man hier gar nicht erwartet hätte. Dahinter stehen ein paar niedrige Steinhäuschen, die sogenannten Adegas, Weinkeller, in denen die Weinbauern ihre gefüllten Fässer lagern und die sie auch als Wochenendhäuser nutzen. In den Gärten, die durch Baumheidezäune vor der salzigen Meeresgischt geschützt werden, stehen niedrige Rebstöcke und Gemüse.

Auch hier gibt es interessante Blumen zu sehen, etwa die Drüsige Wolldistel, die im Gegensatz zu „richtigen“ Disteln keine stacheligen, sondern ganz weiche, behaarte Blätter hat. Oder das Meeres-Leimkraut, das ganz magere Böden braucht und fast nur unmittelbar an der Küste anzutreffen ist.

Ein langer Wasserfall hat diesen riesigen Schuttfächer geschaffen. Links daneben schwebt die Seilbahn herab, ihre Bergstation ist oben an der Felskante zu sehen.

Wasser liefert die Fonte São Pedro. Der Brunnen mit dem grünen Kupferwasserhahn wird von einer Petrus-Statue bewacht.

Eine ausgeschilderte Wegrunde leitet mich durch die Gärten zurück zur Talstation der Seilbahn. Nun wird es Zeit, hinaufzufahren. Einfach einsteigen und los geht es. In einer kleinen Mauernische steht eine Statue des hl. Christophorus, des Schutzpatrons der Reisenden. Dann kann ja nichts schiefgehen. Die Fahrt wird aber doch ein wenig abenteuerlich. Es weht ein starker Wind, die Gondel schwankt hin und her. Beim Blick aus dem Fenster tun sich Abgründe auf. Immerhin schweben wir fast senkrecht die Felswand hinauf.

Von oben, wieder festen Boden unter den Füßen, ein herangezoomter Blick zurück.

Die schönsten Monate für diese Unternehmung sind wegen der Frühjahrsblüte etwa März bis Mai. Aber auch um Weihnachten und Silvester lohnt der Besuch des Calhau das Achadas, wenn dort der seltene Madeira-Blaustern blüht. Startpunkt ist der Miradouro Ponta da Ladeira bei Santa (GPS 32.859471, -17.203358), wo ein paar Autos parken können. Je nach Trittsicherheit ist der Calhau von dort in ca. 1,5 Std. erreicht. Auf der Ebene kann man sich gut eine weitere Stunde beschäftigen, so viel gibt es zu sehen. In die Seilbahngondel einfach einsteigen (je nach Passagieraufkommen vorher Signalknopf drücken oder warten, bis die Gondel hochgeholt wird). Gezahlt wird oben bei der Ankunft (3 € pro Person). Falls es mit der Seilbahnfahrt nicht klappt oder ihr keine Lust dazu habt, könnt ihr entweder auf demselben Weg zum Auto zurückkehren oder auf der Vereda do Calhau in 1 bis 1,5 Std. zur Bergstation der Seilbahn hinaufsteigen. Die Vereda do Calhau zweigt im Tal der Ribeira do Tristão von der Vereda da Ladeira ab (kein Hinweisschild, keine Markierung). 

Wer die Tour wie beschrieben durchführt, kann sie per Taxi organisieren, zum Beispiel ab Porto Moniz. Ausschließlich mit dem Linienbus ist die An- und Abfahrt nicht durchführbar, da die Busse selten und zu ungeeigneten Zeiten verkehren. Die einzige Möglichkeit wäre, das Auto in Achadas da Cruz abzustellen und gegen Mittag mit Bus 80 von Rodoeste nach Santa zu fahren (zusätzliche Gehzeit in Santa 30 Min. und vom Teleférico bis Ortszentrum Achadas da Cruz 40 Min.). Die jeweils aktuellen Betriebszeiten der Seilbahn stehen am zuverlässigsten bei Google Maps. Meist ist Mittagspause zwischen 12 und 13 Uhr. Einen Wanderplan habe ich bei Komoot eingestellt.

Einkehrmöglichkeit besteht am Ende der Tour in der urigen Calhau Snack Bar neben der Seilbahn-Bergstation.

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