Andalusien: Eine echte Steppe bei Almería

Zu den trockensten Gebieten Europas zählt das Cabo de Gata mit gerade einmal um 200 mm Niederschag pro Jahr. Von Almería aus erstreckt sich in Richtung des Kaps eine Steppe mit der dafür typischen Flora und Fauna. Hier lohnt sich in den kühleren Wintermonaten eine kleine, leichte Wanderung. Sie führt durch fast ebenes Gelände. Wir haben einschließlich der Besichtigung der Ausstellung im Centro de Visitantes Las Amoladeras, einem Besucherzentrum des Naturparks Cabo de Gata, rund zwei Stunden benötigt. Weitere Hinweise und einen Link zu einem Streckenplan findest du am Ende des Beitrags.

Nachdem wir in den staubigen Sandweg Richtung „Mirador“ eingeschwenkt sind, erwarten uns zunächst einmal jede Menge Sisalagaven. Mit ihren überdimensionalen Blütenständen zeichnen sie sich grafisch vom heute etwas wolkenverhangenen Himmel ab. Diese Pflanzen sind in der Steppe von Almería nicht heimisch, sondern stammen aus Zentralamerika. Sisalpflanzungen wurden in den 1950er-Jahren in Spanien angelegt, um Fasern für Seile und Teppiche zu gewinnen. Eine am Cabo de Gata geplante Fabrik ging allerdings nie in Betrieb. Geblieben sind die Agaven, die sich – einmal gepflanzt – hartnäckig halten. Hier und da liegen abgefallene Brutknospen auf dem Boden, aus denen später Jungpflanzen heranwachsen.

Dazwischen sitzen kuppelförmige Dickichte, die bis zu mehreren Metern Durchmesser erreichen. Eine Infotafel bezeichnet diese Gebilde als Azufaifar. Hunderte davon gibt es speziell in diesem Gebiet, nirgendwo in Spanien sind sie so gut entwickelt wie hier. Der nicht wirklich ins Deutsche übersetzbare Name meint ein dorniges Gebüsch, das es verschiedensten Tier- und Pflanzenarten ermöglicht, in der Steppe zu überleben. Kräuter gedeihen in seinem Schatten und finden dort eine gewisse Feuchtigkeit, die das Gestrüpp wie ein Schwamm aufsaugt. Zwischen den Dornen verstecken sich im unteren Stockwerk Wildkaninchen. In der oberen Etage suchen Steppenvögel Schutz. Diese ernähren sich von den Früchten der Büsche. Wir sehen erst einmal nur eine Eidechse, die rasch in einer Steinritze verschwindet.

Weiter stapfen wir durch den Sand. Tatsächlich hoppelt ein Kaninchen aus einem der Dickichte. Es ist sehr scheu, sucht schnell wieder Deckung. Ob hier Jagd stattfindet, haben wir nicht herausgefunden.

Foto: Camera-man bei Pixabay

Verschiedene Pflanzen treiben Blüten: Behaarte Spatzenzunge, Kretisches Jochblatt, Apenninen-Sonnenröschen. Letzteres ist mit dem aus Mitteleuropa bekannten Gelben Sonnenröschen verwandt und wird ebenfalls, wenn auch sehr selten, in Deutschlan gesichtet. Zum Beispiel in Unterfranken oder Rheinhessen. Die meisten Vertreter der sonnenliebenden Gattung kommen eher in den Mittelmeerländern oder auf den Kanaren vor.

Namengebend für das Besucherzentrum wie auch für das angrenzende Gebiet und den nahen Strand waren die Amoladeras, die Mahlsteine. Sie wurden hier gebrochen, da sich das Gestein aufgrund seiner Festigkeit, Scharfkantigkeit und Porosität besonders gut für die Verwendung in Getreidemühlen eignete. Steinhaufen erinnern noch an dieses Geschäftsmodell der Finca, die sich heute in öffentlichem Besitz befindet. 

Schließlich erreichen wir den Cortijo de las Amoladeras, wo die Mahlsteine früher verkauft wurden, und gleich nebenan unser Ziel, den ausgeschilderten Mirador. Dort schauen wir in die Rambla de las Amoladeras hinab, ein breites, ausgetrocknetes Flussbett. Auf der gegenüberliegenden Seite sehen wir zahllose weitere Azufaifar-Dickichte.

Ein von J. M. Miralles und María Abad 1991 künstlerisch für den Naturpark gestaltetes Fliesenbild am Aussichtspunkt zeigt anschaulich die verschiedenen im Gebiet vertretenen Tierarten. Ganz links neben der Eule ist zum Beispiel eine weibliche Zwergtrappe zu sehen.

Genau mit einer solchen haben wir auf dem Rückweg eine flüchtige Begegnung. Der hühnergroße, sandfarbene Steppenvogel mit dem weißen Bauch bewegt sich vorwiegend laufend am Boden, wo er nach Insekten, Würmern und Samenkörnern pickt. Schnell ist er zwischen den Zwergsträuchern verschwunden, zu schnell, um ihn auf ein Foto zu bannen. Er brütet hier im Gebiet, aber Naturschützer schlagen in ganz Spanien wegen des starken Bestandsrückgangs Alarm. Gleich darauf hüpft ein weiterer, viel kleinerer Steppenvogel über den Weg. Es ist eine Theklalerche, die der Haubenlerche sehr ähnlich sieht.

Foto: babilkulesi bei Pixabay

Zuletzt erleben wir noch ein besonderes Naturschauspiel. Aus den Agaven erhebt sich ein riesiger Schwarm von Staren, die durch die Luft kreisen. Als Allesfresser können diese Vögel so ziemlich jede Nahrung verwerten. Hier hatten sie es wohl auf die Fruchtkapseln mit den Samen abgesehen, welche die Agave zusätzlich zu den Brutknospen bildet.

Wir sind am Parkplatz beim Centro de Visitantes Las Amoladeras gestartet. Das Parken dort ist nur während der Öffnungszeiten des Besucherzentrums möglich, diese findest du hier. Vom Parkplatz geht es ein kurzes Stück auf der Zufahrtsstraße zurück und dann links, wo wir dem Wegweiser zum 2 km entfernten Mirador folgen, auf einem nicht zu verfehlenden Sandweg. Vom Mirador dann auf derselben Strecke zurück zum Parkplatz. Wer mit dem Linienbus anreist, fährt ab Almería mit Alsa bis zur Haltestelle Rambla Morales, von dort 15 Minuten zu Fuß. Einen Wanderplan habe ich bei Komoot eingestellt.

Dies ist unser heutiger Einkehrtipp: Am etwa 2 km vom Besucherzentrum Las Amoladeras entfernten Kreisverkehr in Ruescas befindet sich mit der Pastelaría Torre Marcelo ein gepflegtes Café mit Kuchentheke. Dort gibt es nicht nur Süßes, sondern auch pikante Snacks. Daneben liegt das in Vergessenheit geratene Wrack eines alten Fischkutters an Land, heute eine Sehenswürdigkeit der besonderen Art.

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