Madeira: Von der Boca do Risco ostwärts

Zu den Klassikern unter den Wanderungen Madeiras zählt der Nordküstenweg von Machico über den Sattel Boca do Risco nach Porto da Cruz. Noch recht wenig bekannt ist hingegen ein Steig, der ab der Boca do Risco in umgekehrter Richtung dem Saum des steilen Kliffs im Inselnorden bis Caniçal folgt. Er berührt bizarre Felsformationen und bietet grandiose Ausblicke über einsame Landschaften. Abschnittweise ist er allerdings als anspruchsvoll einzustufen. Manchmal müssen die Hände zu Hilfe genommen werden, eventuell können auch Schwindelgefühle auftreten. Wir haben einschließlich kleiner Pause unterwegs für den 6 km langen Weg (ca. 350 Höhenmeter Auf- und Abstieg) dreieinhalb Stunden benötigt. Weitere Hinweise und einen Link zu einem Streckenplan findest du am Ende des Beitrags.

Zu Beginn sind noch Spuren menschlicher Tätigkeit zu sehen. Auf Terrassenfeldern wird Heu gewonnen. Dazwischen steht der eine oder andere Palheiro, wie die kleinen Kuh- oder Ziegenställe hier genannt werden. Nur noch in jedem dritten von ihnen soll tatsächlich ein Tier stehen. Zu mühselig ist diese Form der Viehhaltung geworden.

Zunächst ist der Anstieg durch das Tal der Ribeira Seca noch recht gemütlich, doch dann wird es an schräg gestellten Felsplatten fast ein wenig abenteuerlich.

Dieser Wegweiser steht hier gefühlt schon ewig. Er hat Stürme und Waldbrände überdauert.

Oben an der Boca do Risco und im weiteren Verlauf oberhalb der Steilküste ergeben sich großartige Aussichten. Rückwärts überblicken wir die Abhänge, in denen der klassische Nordküstenweg nach Porto da Cruz verläuft. Voraus ist am Horizont Madeiras kleine Nachbarinsel Porto Santo zu sehen.

Flechten und windgepeitschte Erikabüsche wachsen auf nackten Felsen. Hier sind die beiden häufigsten Gesteinstypen Madeiras wunderbar zu sehen. Der rötliche Vulkantuff im Vordergrund ist so weich, dass man ihn mit den Händen zerbröseln kann. Er ist bei explosiven Vulkanausbrüchen durch Ascheregen entstanden. Hinten der hellgraue Trachyt, aus einem erstarrten Lavastrom entstanden, ist deutlich fester und widersteht eher der Erosion. Er ähnelt dem Basalt, ist aber aufgrund eines höheren Quarzgehalts heller als dieser.

Ein genauer Blick auf den Trachyt zeigt seine porphyrische Struktur. Das bedeutet, in seiner rauen, porösen Grundmasse liegen größere Einsprenglinge. Wahrscheinlich handelt es sich hier um Biotit, den sogenannten Dunkelglimmer. Sein Kristallisationspunkt liegt bei rund 1300 Grad Celsius, einer Temperatur, bei der die meisten Minerale in einem Lavastrom noch flüssig sind. Erst nach weiterer Abkühlung erstarren die anderen Bestandteile zu einer einheitlichen Masse.

Immer öfter kommt jetzt Madeiras zerklüftete Ostspitze, die Ponta de São Lourenço, in Sicht. Wer dort gewandert ist, hat unterwegs auch eine kleine, von Möwen bewohnte Felsinsel gesehen. Dass es sich eigentlich um ein Felstor handelt, wird erst aus dieser ungewöhnlichen Perspektive deutlich. An der flachen Halbinsel stauen sich keine Wolken, daher regnet es dort nur selten und die Landschaft ist trocken. Ganz im Gegensatz zu dem grünen Gebiet, durch das wir gerade wandern. Ein üppiges Gestrüpp aus Gagelbäumen – den sogenannten Inselbuchen – und Heidebüschen überzieht die nicht ganz so steilen Hänge lückenlos.

Im Sommer ist auf Madeira Schmetterlingssaison. Wir sehen ein Waldbrettspiel. Zwar soll es auf der Insel auch eine endemische Art, das Madeira-Waldbrettspiel, geben. Doch hier scheint es sich, der Einbuchtung am Außenrand der Vorderflügel nach zu schließen, um die in ganz Europa verbreitete Grundform des Falters zu handeln, die ebenfalls auf Madeira vorkommt.

Einige Wegabschnitte haben es durchaus in sich. Zwar ist der Pfad nicht so schwindelerregend, wie es auf diesem Foto erscheinen mag. Dafür sind einige steile Passagen durch losen Gesteinsgrus recht rutschig. Wieder beeindruckt uns der Farbkontrast zwischen grauem Trachyt und rotem Tuff.

Ein paar wenige, hartgesottene Pflanzen ducken sich selbst an den steilsten, exponiertesten Stellen der Nordküstenfelsen in Spalten, wo sie Wurzeln schlagen können und Schutz vor Wind finden. Besonders anspruchslos ist das Drüsenäonium, ein mit den Hauswurzen entfernt verwandtes Dickblattgewächs, das hier seine prächtigen gelben Blütenstände entfaltet.

Die dicht begrünte, oft vom Passatnebel eingehüllte Nordküste geht nun in die steppenhafte Ostspitze über. Gezackte, durch die Erosion geformte Gebilde erinnern an eine Mondlandschaft. Wind und seltene, dann aber heftige Regenfälle haben in dem weichen Tuffgestein ganze Arbeit geleistet.

Trockenheitsliebende Pflanzen übernehmen hier das Kommando. So etwa der Meerfenchel, eine typische Art der Küstenvegetation Madeiras. Der Doldenblütler wächst auf Felsboden und verträgt salzhaltige Meeresgischt. Wegen des hohen Vitamin-C-Gehalts führten die Seeleute früher Meerfenchel als vorbeugendes Mittel gegen Skorbut mit.

Eine vulkanische Bombe, durch Verwitterung und Erosion schon halb zernagt. Ein während eines Vulkanausbruchs herausgeschleuderter Lavafetzen erkaltete während des Flugs und nahm währenddessen durch die Drehung um die eigene Achse ein eiförmige Gestalt an, bevor er sich gemeinsam mit Vulkanasche und kleineren, erkalteten Lavabrocken zu einem vulkanischen Konglomerat vermischte. 

Auf den letzten Metern bis zum Ortsrand von Caniçal begleitet uns dieser Blick zu den Ilhas Desertas, den drei unbewohnten, Madeira im Südosten vorgelagerten Felsinseln.

Ausgangspunkt der vorgeschlagenen Wanderung ist die Bar Boca do Risco (GPS 32.740958, -16.774933) in Machicos Ortsteil Ribeira Seca. In der Nähe dieser kleinen Dorfkneipe ist es möglich, am Straßenrand zu parken. Von der Bushaltestelle an der ER-109/Abzweigung Estrada da Ribeira Seca (Linie 113 ab Funchal/Machico) geht man knapp 1 km zu Fuß bis zum Ausgangspunkt. Oder man nimmt die seltener verkehrende Linie 113RS, die direkt nach Ribeira Seca fährt. Der Einstieg in die Wanderung befindet sich unmittelbar gegenüber der Bar Boca do Risco (steile Steintreppe, mit verblasstem rotem Punkt markiert). Von dort stets aufwärts, über eine Levada hinweg, bis zur Boca do Risco. Kurz vor dem Sattel rechts der Beschilderung Richtung Caniçal folgen und stets auf dem Kamm über der Felsküste bleiben, bis der Pfad schließlich im Bogen nach Caniçal führt. Einen Streckenplan findest du bei Komoot. Die Rückkehr erfolgt ab Caniçal mit Bus 113. Autofahrer steigen aus, wie oben beschrieben, und gehen 1 km zum Auto an der Bar Boca do Risco zurück.

Die Wartezeit auf den nächsten Bus (Haltestelle GPS 32.742857, -16.738977) lässt sich in Caniçal bequem im Chicago Café an der ER-109 überbrücken. Du kannst aber auch in 15 Min. zum Hafen hinuntergehen, wo du mehrere Bars und Restaurants findest. Auch dort ist es möglich, in den Bus einzusteigen.

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