Soester Börde: Taurusrinder und Silberreiher in den Ahsewiesen

Taurusrinder sind die Stars der Ahsewiesen. Die robusten, dem ausgestorbenen Auerochsen nachgezüchteten Weidetiere sollen auf natürliche Weise die Artenvielfalt fördern. Durch die feuchte Flussaue der Ahse, eines typischen flachen Bördebachs, staksen Wasser- und Zugvögel auf der Suche nach Nahrung. Von der Hektik unserer Zeit scheint das Gebiet völlig entrückt. Nur Vogelstimmen durchbrechen die Stille. Ein Rundweg, für den ihr einschließlich Beobachtungs- und Fotopausen drei Stunden veranschlagen solltet, führt über durchgängig asphaltierte Feldwege und eignet sich auch prima zum Radfahren. Hinweise zur Anreise findet ihr am Ende des Beitrags.

Bauernhöfe mit Backsteinfachwerk und hellroten Ziegeldächern säumen wie Postkartenmotive die schmale Straße „Im Posthof“, auf der Oliver und ich heute Richtung Süden spazieren. Pferde wiehern auf der Weide vor einem der Höfe. In der Hecke am Wegrand hängen reife Hagebutten. Zum Naschen eignen sie sich noch nicht, da der milde Oktober bisher frostfrei war. Etwas weiter leuchten die ebenfalls knallroten Früchte des Weißdorns, auch sie essbar, aber möglichst gekocht als Marmelade. Und wir entdecken auch die dunklen Trauben des Ligusters. Diese sind allerdings leicht giftig und nicht zum Verzehr geeignet.

An einer sternförmigen Kreuzung ist der zweite Weg rechts der richtige, also quasi geradeaus. Allmählich senkt sich das Gelände zur Ahseniederung ab. Die Ahse, ein Nebenfluss der Lippe, entwässert den Süden der Soester Börde. Ein Schild kündigt das Naturschutzgebiet Ahsewiesen an. Gleich darauf erspähen wir auf einer saftigen Weide die ersten Taurusrinder, eine große Herde aus Kühen und Kälbern. Zufrieden sitzen die dunkelbraunen, archaisch wirkenden Tiere wiederkäuend im Gras. Seit den 1990er-Jahren werden Taurusrinder im Kreis Soest gezüchtet, um sie in der Landschaftspflege einzusetzen. Ganz allmählich soll mit ihrer Hilfe in Schutzgebieten ein naturnahes Mosaik aus Weideflächen, Gebüsch und Baumgruppen entstehen.

Für heute war Regen angekündigt, doch es bleibt trocken. Die Wolken schließen sich am Himmel zu spannenden Gebilden zusammen, hin und wieder lugt sogar die Sonne hervor. Ideale Bedingungen also zum Fotografieren. Immer geradeaus lauft ihr direkt auf einen Vogelbeobachtungsturm zu, der aber erst im letzten Moment hinter einer Baumreihe in Sicht kommt. Er ist zum Zeitpunkt unseres Besuchs gesperrt und wartet auf seine Sanierung, wir haben es vorab schon in den Google-Rezensionen gelesen. Tatsächlich stehen wir an der Wendeltreppe zu seinen beiden Aussichtsebenen vor einem Absperrband. Also zurück zur letzten Abzweigung und dort Richtung Westen. 

Hier unten in der Niederung sind die Wiesen sumpfig. Unterwegs zu einem zweiten Beobachtungsstand liegt eine langgestreckte Feuchtwiese linker Hand. Sie schimmert herbstlich in einer ganzen Palette dezenter Farbtöne: Goldbraun, Grüngelb, Sattgrün, Dunkelgrün. Vereinzelt sind noch pinkfarbene, fransige Blüten der Kuckucks-Lichtnelke zu sehen, der Charakter-Pflanzenart der Ahsewiesen. Auch die Wiesen-Flockenblume treibt einige späte violette Blüten. Im Hintergrund beginnt die Goldfärbung der Laubbäume im Galeriewald am Ahseufer. Ein aufgescheuchter Fasan flattert aufgeregt davon. In gewissen Abständen harren Silberreiher fast reglos aus, bis ihnen Frösche oder Mäuse vor den Schnabel kommen.

Ein Blick nach rechts zu den flachen Talhängen lässt erahnen, wie eine von Taurusrindern beweidete Parklandschaft in Zukunft aussehen könnte. Hier ist eine solche Idylle durch jahrhundertelange bäuerliche Kultur ohne weiteres Zutun entstanden. Jedem Landschaftsgarten würde sie Ehre machen. Nach den Regenfällen der letzten Tage steht in den Gräben am Wegrand reichlich Wasser. Einst sollten die Rinnen das Gebiet entwässern. Im Rahmen von Naturschutzmaßnahmen wurden ihre Abflüsse zugeschüttet, um den Wasserspiegel in den Ahsewiesen wieder auf seinen natürlichen Stand zu bringen. Überall ragen vergilbende Blätter der Gelben Schwertlilie aus dem Wasser, die hier im nächsten Frühjahr, etwa Ende Mai, ihre großen Blüten entfalten wird. Auffällig sind auch die stacheligen Fruchtköpfchen der Wilden Karde und die fahnenartigen, vertrockneten Blütenstände des Schilfrohrs. 

An den Gräben der Ahsewiesen sind im Herbst zahlreich die kugeligen, stacheligen Fruchtstände der Wilden Karde zu sehen.

Schnatternde Gänse fliegen zu zweit oder in Trupps vorbei. Von dem nun erreichten Beobachtungsstand (Abstecher nach links auf asphaltiertem Weg) könnt ihr die Vogelfauna intensiver betrachten. Ein Kormoran kratzt sich das Gefieder, nebenan im Tümpel tummeln sich Haubentaucher. Einheimische Wildgänse sind noch nicht aus ihren weit im Norden gelegenen Sommerquartieren eingetroffen. Wir sehen die inzwischen ganzjährig hier lebenden großen Kanadagänse mit auffällig schwarzem Hals und weißer Brust sowie sehr zahlreich die bunten Nilgänse. Diese werden, obwohl nett anzuschauen, inzwischen nicht mehr so gerne gesehen, da sie sich invasiv ausbreiten und andere Wasservögel einschüchtern. Elegant schreiten weitere Silberreiher durch den Morast und schnappen ab und zu nach Beute. Sie sind die ersten Wintergäste in den Ahsewiesen. „Für Kraniche ist es in diesem Jahr zu früh, da ihre Brutgewässer noch nicht zugefroren sind“, weiß ein freundlicher Tierfotograf, mit dem wir in der Beobachtungshütte ins Gespräch kommen. Auf dem Durchzug in ihre Überwinterungsgebiete in Frankreich und Spanien übernachten sie oft in Scharen in den Ahsewiesen, um bei Sonnenaufgang schon wieder aufzubrechen. 

Foto: johnny_px bei Pixabay

Vom Beobachtungsstand wandern wir zurück zur letzten Abzweigung und halten uns dort links. Den nächsten Weg dann rechts hinauf, wo wir die Ahseniederung bald hinter uns lassen. Ein Blick zurück von der flachen Anhöhe zeigt noch einmal das Panorama der Flusslandschaft mit dem Höhenzug des Haarstrangs dahinter. Auf dem nächsten asphaltierten Weg nach rechts, dann begegnen wir wieder Taurusrindern, Jungbullen diesmal. Von links grüßt Sändkers Mühle herüber, eine traditionelle Windmühle. Voraus ist der spitze Kupferhelm des Kirchturms von Hultrop zu sehen. Am Ortsrand schwenken wir links in die schon bekannte Straße „Im Posthof“ ein.

Der beschriebene Rundweg beginnt in Hultrop, in der Straße „Im Posthof“. In der Nähe findet ihr Parkmöglichkeiten, z.B. einen Parkstreifen an der Südmauer des Friedhofs (GPS 51.650136, 8.048265). Die Anreise mit dem Bus erfolgt ab Bahnhof Soest mit Linie R36 bis Oestinghausen und weiter mit TaxiBus T31 (Buchung unter www.westfalenfahrplan.de) bis „Hultrop, Alter Bahnhof“. Der Weg ist weder markiert noch beschildert. Bei Komoot findet ihr Karte und Höhenprofil zu der vorgeschlagenen Tour. Fernglas und Teleobjektiv nicht vergessen!

Hier kommt unser Tipp für die anschließende Freizeitgestaltung: An der B 475 Richtung Hamm findet ihr etwa 5 km von Hultrop entfernt Tigges Scheune, eine liebenswerte Kombination aus Café und Hofladen.

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