Diesmal waren wir zur Abwechslung in Katalonien unterwegs und haben euch Eindrücke aus einem der interessantesten Naturgebiete der Costa Brava mitgebracht, dem Parc Natural Aiguamolls de l’Empordà. Im Winter sind in dieser amphibischen Landschaft regelmäßig Flamingos zu beobachten, ab dem zeitigen Frühjahr auch zahlreiche Weißstörche in ihren Nestern, dazu jede Menge weitere Wasservögel wie Enten, Haubentaucher oder Blässhühner. Für die vorgeschlagene Unternehmung solltet ihr mit etwa 2 1/2 Stunden rechnen. Hinweise zur Organisation stehen am Ende des Beitrags.
Schnurgerade zieht der Weg durch einen Galeriewald, der einen der vielen Entwässerungsgräben im Feuchtgebiet Aiguamolls säumt. In seinen im Dezember unbelaubten Bäumen klettern vielerlei Lianen: Efeu, wilder Hopfen, wilder Spargel. Dazu der immergrüne Mäusedorn mit seinen knallroten Beeren.
Rosaflamingos sind auf dem Estany del Cortalet recht sicher anzutreffen. Daneben ziehen schnatternde Stockenten und Blässhühner ihre Kreise. Die Beobachtungshütte Les Gantes ist der perfekte Ort, um das Geschehen in Ruhe zu beobachten und zu fotografieren. Im Idealfall bist du an einem ruhigen Wochentag hier, denn am Wochenende können die Plätze in der Hütte schon einmal knapp werden. Die Rosafärbung verdanken die Flamingos ihrer Nahrung: kleinen Krebsen und Algen, die Carotinoide enthalten. Diese reichern sich nach und nach im Gefieder an. Je älter das Tier, umso intensiver die Farbe.
Seit die Landwirtschaft begonnen hat, die Aiguamolls für ihre Zwecke trockenzulegen, wird der Wasserstand durch ein Netz kleiner Kanäle reguliert. Diese dienen je nach Jahreszeit zur Entwässerung oder um die Felder zu bewässern. Die Bewässerung erfolgt über steinerne Rinnen, wie sie schon zur Römerzeit üblich waren.
Eine Herde heller Camarguepferde grast friedlich auf einer kargen Koppel. Mit ihren außergewöhnlich breiten, umbeschlagenen Hufen können sie auch durch Morast stapfen. Zudem halten die robusten Tiere im Gegensatz zu anderen Pferden den oft heftig von den Pyrenäen herabwehenden, kühlen Nordwinden problemlos stand. Im Hintergrund kleben Storchennester zu Dutzenden in den Bäumen. Jetzt im Dezember sind sie unbesetzt. Ganz anders Ende Februar, wie wir von einem früheren Besuch wissen. Dann gesellen sich zu den wenigen Überwinterern unter den Störchen viele Rückkehrer aus dem Süden und die Paare beginnen mit der Balz.
Die urspünglich in der französischen Camargue heimische, uralte Pferderasse wurde in den Aiguamolls eingeführt, um den Schilfbestand zu begrenzen. Das Schilfrohr, von dem sich die genügsamen Pferde unter anderem ernähren, würde sonst schnell die gesamte Fläche des Naturparks zuwuchern. Auch ein paar dunkle Angusrinder bekommen wir zu sehen. Ein kleiner Öko-Betrieb lässt sie ganzjährig im Naturpark weiden.
Jetzt kurz vor Weihnachten blüht nicht viel, aber immerhin entdecken wir ein paar Exemplare des Strandflieders. Das filigrane Gewächs mit fliederfarbenen Blüten zeigt Salz im Boden an. Hier wechseln wir von der landwärtigen Zone mit Süßwasserseen und -kanälen in den strandnahen, bei Sturm vom Meer überschwemmten Bereich der Aiguamolls.
Dann öffnet sich die breite Wasserfläche der Estanys del Matà. Genau zwei Flamingos halten hier die Stellung. Ansonsten sind riesige Schwärme von Stockenten unterwegs.
Nicht nur Wasservögel leben im Naturpark. Durch das Gebüsch am Seeufer huschen zahlreiche kleine, gar nicht einmal scheue Vögel. Zwei Ornithologen lichten sie mit riesigen Teleobjektiven ab. Es sind offenbar Laubsänger, aber um welche Vertreter dieser Gattung es sich genau handelt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Auf Holzplanken queren wir eine von Röhricht gesäumte Wasserfläche, einen Altarm des nahen Flusses Fluvià. Hier mögen wohl Fischotter leben, die vor Jahren im Naturpark ausgewildert wurden. Nachdem sie beinahe ausgerottet waren, hatten sich die Bestände andernorts in Spanien wieder erholt, allerdings weit von den Aiguamolls entfernt. Eine spontane Einwanderung lag noch in weiter Ferne, also entschloss sich die Naturparkverwaltung, die Tiere gezielt anzusiedeln. Da Fischotter ein sehr verstecktes Dasein führen, besteht kaum eine Chance auf Sichtung.
Dann ist der im Winter einsame Strand Platja de Can Comas erreicht, unser Umkehrpunkt. Die angrenzenden Dünen dürfen nicht mehr betreten werden, damit sie sich regenerieren.
Für den Rückweg wählen wir die identische Route, da die tief stehende Sonne die Dämmerung ankündigt. Wenn ihr mehr Zeit mitbringt, lohnt es sich ganz bestimmt, die Estanys del Matà komplett zu umkreisen und am Nordufer den Aussichtsturm Senillosa zu besteigen, der einem Reissilo aufgepfropft wurde. Der Reisanbau wird in diesem Gebiet seit Gründung des Naturparks wieder gefördert, da die im Winter überfluteten Reisfelder Wasservögeln reichlich Nahrung bieten.
Ausgangspunkt ist der Parkplatz am Besucherzentrum El Cortalet (GPS 42.224810, 3.092029). Man zahlt die Parkgebühr (pro Tag 5 € pauschal, wird für den Naturschutz verwendet) im Besucherzentrum. Dort gibt es auch einen Gratisplan mit dem Wegenetz des Naturparks. Eine aktuellere Version des Plans kannst du hier herunterladen. Den beschriebenen Weg hat uns die freundliche Dame an der Rezeption des Zentrums empfohlen. Es handelt sich um eine Kombination der auf dem Plan verzeichneten Wege Itinerari 1 und Itinerari 2. Die gesamte, etwa 3,5 km lange Strecke, auf der hier auch der rot-weiß markierte Fernwanderweg GR-92 verläuft, wurde für Fußgänger reserviert. Das Radfahren ist in diesem Bereich des Naturparks nicht gestattet. Ein Fernglas und eine App oder ein Buch zur Vogelbestimmung sind nützlich. Hier findest du eine Liste der 50 wichtigsten Vogelarten im Park mit lateinischen und englischen Namen . Der Xiringuito (Kiosk für Getränke und kleine Speisen) mit Selbstbedienung am Parkplatz hat im Winter nicht immer geöffnet.
Nachdem bereits große Teile des einstmals viel größeren Feuchtgebiets am Golf von Roses touristischer Bebauung hatten weichen müssen, beschloss Jordi Sargatal 1976, sich für die Rettung der Aiguamolls zu engagieren. Weitere Infos in deutscher Sprache über die mitreißende Geschichte, wie er nach zähem Ringen zehn Jahre später die Einrichtung des Naturparks Aiguamolls erreichte und dessen erster Direktor wurde, und ein Interview mit Jordi Sargatal findet du hier.