Diese Wildnis liegt unmittelbar bei den Ferienorten Cala Millor und Sa Coma und ist doch wenig bekannt. Dabei kannst du hier die Erkundung einer fast unberührten, von einem mittelalterlichen Kastell überragten Klippenhalbinsel sogar mit der Einkehr in einer richtigen Wanderhütte verbinden. Die Punta de n’Amer punktet mehr mit ihrer Flora als mit der Fauna, aber außer verschiedensten Blütenpflanzen sind hier doch auch Seevögel zu beobachten. Zwei bis drei Stunden solltest du für diese Aktivität rechnen. Der Link zu einem Wanderplan und weitere praktische Infos stehen am Ende des Beitrags.
Los geht es im Kiefernwald, der die Halbinsel auf der Landseite abschirmt. Wir queren ihn zunächst einmal von Norden her, um an die Südküste der Punta de n’Amer zu gelangen.
Am Wegrand kannst du im Halbschatten der Kiefern nach Wildorchideen Ausschau halten. Bei unserem Besuch ist es noch zu früh im Jahr für deren Blüten. Sie haben aber schon Blätter und Blütenknospen ausgetrieben. Diese hier haben wir mit Hilfe einer App als Roberts Mastorchis, auch unter dem Namen Riesenknabenkraut bekannt, bestimmt.
Dann sind wir an der Südküste der Halbinsel angelangt. Rechts könnte man zum Palmenstrand von Sa Coma gehen. Wir aber wollen in die Natur, also kraxeln wir links über die Klippen. Der Untergrund ist uneben und scharfkantig, aber wir kommen gut voran.
Hier wartet auch schon die erste Überraschung, eine Krähenscharbe. Der pechschwarze Vogel, ein etwas kleinerer Verwandter des Kormorans, hebt sich farblich kaum von der Klippe ab, auf der er sich zum Fischen aufgestellt hat. Krähenscharben sind insofern ungewöhnlich, als sie sich an der deutschen Nordseeküste nur selten blicken lassen und an der Ostsee und den Binnengewässern Mitteleuropas schon gar nicht. Sie bevölkern die europäischen Atlantikküsten und das Mittelmeer. Auf Mallorca haben wir sie an unberührten Küstenabschnitten schon mehrfach beobachtet.
Eine verschwiegene Ruine am Wegrand fällt in die Kategorie „Lost Places“. Hier waren im Spanischen Bürgerkrieg in den 1930er-Jahren Grenzwachen stationiert. Wenig später sehen wir auch einen Bunker aus dieser Zeit, den Francos Truppen errichtet hatten, um die Landung republikanischer Streitkräfte an der Küste zu verhindern.
Unser nächstes Ziel ist Sa Pedrera Vella, ein stillgelegter Steinbruch in der Brandungszone, der heute mit seinem spiegelglatten Wasser wie ein Naturpool wirkt. Hier wurde im 17. Jahrhundert der marès, Mallorcas berühmter Kalksandstein, herausgebrochen. Man verwendete ihn für den Bau des Kastells mitten auf der Halbinsel, das wir später besuchen werden.
Etwa 500 Meter weiter an der Küste entlang öffnet sich eine geheimnisvolle Höhle, die Cova de ses Crestes. Jemand hat Treppenstufen in den engen Eingang gehauen, unten war die die Erkundung bald zu Ende. Die Höhle soll eine Verbindung zum Meer haben. Wir haben sie nicht gefunden. Der Einstieg in den finsteren Schlund war abenteuerlich genug. Richtig gefährlich soll es hier bei Seegang werden.
Nun wenden wir dem Meer den Rücken zu und steigen ins Innere der Halbinsel, hinauf zum Castell de la Punta de n’Amer. Ganze 35 Meter liegt es über dem Meeresspiegel. Eine geländerlose Zugbrücke führt ins Innnere mit einem kleinen Museum zur Geschichte des Kastells, das im 17. Jahrhundert entstand. Es reihte sich in die Kette der Wachtürme ein, die Mallorca damals umspannten und gegen Angreifer von See schützten. Fast schon abenteuerlich ist der Aufstieg durch eine enge Wendeltreppe zur Dachterrasse, die einen prima Überblick über die Halbinsel bietet. Dort ist auch noch eine alte Kanone aus der aktiven Zeit der Festung zu bewundern.
Die Einkehr in der benachbarten Bar Es Castell ist enorm verlockend. Mit der Atmosphäre einer Wanderhütte ist sie einmalig auf Mallorca. Wir lassen es uns hier also gut gehen und machen anschließend noch einen Abstecher zum geodätischen Punkt, der sich schon aus der Ferne durch eine Säule zu erkennen gibt. Diese steht auf einem Hügel 26 Meter über dem Meeresspiegel. Das klingt nach wenig, aber auch diese Stelle bietet noch einmal einen tollen Panoramablick, diesmal aus anderer Perspektive. Wir schauen in den einsamsten Teil der Halbinsel. Wenig begangene Pfade leiten hinunter zum Meer.
In dieser eigentümlichen Landschaft treffen wir auf das Highlight der Tour, den Crocus cambessedesii, eine Form des Wilden Safrans, die es nur auf Mallorca und Menorca gibt. Auch wenn wir ihn schon vorhin an der Südküste der Halbinsel gesehen hatten, so stehen hier doch noch ein paar mehr. Bitte stell dir jetzt aber keine flächendeckende Krokuswiese vor. Einzeln oder zu zweit sprießen die zierlichen Blüten in kleinen Lehmkuhlen zwischen den unwirtlichen Kalksteinbrocken. Von weitem sind sie gar nicht zu erkennen, werden daher oft übersehen. Er zählt zu den kleinsten Krokusarten, die es überhaupt gibt, und hat eine ungewöhnliche Blütezeit. Sie beginnt im Oktober und zieht sich bis in den Februar hinein.
Eine Besonderheit der Punta de n’Amer sind die Steinhaufen. Obwohl sie irgendwie archaisch aussehen, scheinen sie noch recht jung zu sein. Offenbar ist es hier in Mode gekommen, dass jeder im Vorbeigehen einen zusätzlichen Stein darauf wirft. Naturschützer warnen inzwischen davor, denn dadurch wird die Mikrofauna und Mikroflora durcheinandergebracht, die sich unter jedem Stein im Gelände angesiedelt hat.
Den Rückweg vom Kastell treten wir auf einem breiten, viel begangenen Weg an. Die Klippenküste im Norden der Halbinsel ist flacher und leichter zugänglich. Über das karge Küstenplateau und die breite Bucht von Cala Millor hinweg schauen wir auf die Berge am Cap del Pinar. In der anderen Richtung wird die Macchie aus Phönizischem Wacholder, Mastixstrauch und anderem Gebüsch immer dichter, bis sie zum Land hin wieder in Aleppokiefernwald übergeht, den wir schon am Beginn der Tour kennengelernt hatten.
Kurz vor Erreichen der Straße in Cala Millor zweigen wir noch einmal links ab und drehen eine Runde durch die bewaldeten Dünen. Damit sich die dortige Vegetation erholen kann, werden die Besucherströme gelenkt. Die Wege sollen nicht verlassen werden. Wir begegnen Zwergpalmen und auch einigen blühenden Sträuchern, speziell der Vielblütigen Heide. Letztlich finden wir uns dann am Ausgangspunkt wieder.
Die beschriebene Tour beginnt und endet in Cala Millor im Carrer Castell, bei einer Wandertafel (GPS 39.587029, 3.384293). Einen großen, gebührenfreien Erdparkplatz findest du ganz in der Nähe, im Camí de son Moro gegenüber von Biggi’s Café (s.u.). Die Bushaltestelle Cala Nau der Linie 401 von Palma ist knapp zehn Minuten zu Fuß entfernt. Die Punta de n’Amer ist ein Naturschutzgebiet in Privatbesitz, darf aber betreten werden, wobei gebeten wird, auf den Wegen zu bleiben. Wegmarkierungen oder Beschilderungen gibt es nicht. Einen Routenplan habe ich bei Komoot eingestellt.
Unsere heutigen Einkehrtipps: Unterwegs bietet die Bar Es Castell Hüttenatmosphäre mit Kaffee und Kuchen, wahlweise auch deftigeren Gerichten. Wer nach der Wanderung nochmal einkehren möchte, kann es sich auf der Sonnenterrasse von Biggi’s Café bei Mettbrötchen, Flammkuchen oder hausgemachter Sahnetorte gemütlich machen.