Vulkanische Entstehung, blütenreiche Magerrasen und eine geheimnisvolle Burg sind die Markenzeichen des Hohentwiels. Wir sind Ende Februar hier unterwegs gewesen und haben die ersten Blüten der Saison gesehen. Mit 696 m kratzt der Hausberg der Stadt Singen knapp an der 700er-Marke, was einen unverstellten Fernblick zu den Alpen garantiert. Der steile Auf- und Wiederabstieg über knapp 200 Höhenmeter hinweg lässt sich in ca. 1,5 Stunden bewältigen. Weitere praktische Hinweise und den Link zu einer Wanderkarte findest du am Ende dieses Beitrags.
Gleich zu Beginn des Aufstiegs überraschen uns Schneeglöckchen. Dank der Höhenlage und des schattigen Standorts an einem Waldrand sind sie Ende Februar gerade voll in Blüte. Das Kleine Schneeglöckchen gilt hier im Hegau im Gegensatz zu großen Teilen Deutschlands als ursprünglich heimisch. Vielleicht ist es an dieser Stelle aber auch aus den nahen Hausgärten oder gar vor langer Zeit aus dem Garten der Burg verwildert.
Fast noch spannender finden wir die ersten, noch nicht ganz geöffneten Blüten der Kuhschelle, die wir in einer geschützten Grube am Südhang entdecken. Sie sind weit und breit noch die einzigen. Erst in ein paar Wochen werden sie die Trockenrasen an den steilen, der Sonne ausgesetzten Hängen des Hohentwiel übersäen. Der Name der Pflanze spricht für sich. Aus der Verkleinerungsform „Kühchen“ ist der zweite geläufige Name Küchenschelle entstanden, der mit einer „Küche“ also nichts zu tun hat.
Auch die leeren Gehäuse von Weinbergschnecken erzählen von dem warmen Klima am Südabhang des Hohentwiel. So ist es nicht verwunderlich, dass hier Weinbau betrieben wird. Der Elisabethenberg ist mit 560 m die höchste Weinlage Deutschlands, verrät eine Infotafel. 2010 hat das Weingut Vollmayer, das hier seit 1928 Reben pflanzt, auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Die Weinberge haben ihre ganz eigene geometrische Struktur, die in der blattlosen Winterzeit besonders gut zur Geltung kommt.
Durch fast dschungelartiges Gebüsch, das um diese Jahreszeit noch unbelaubt ist, schraubt sich der Weg den steilen Hang hinauf. Reichlich immergrüner Efeu, der auch in die Bäume und Sträucher hineinklettert, sorgt für Farbe. Wir befinden uns hier auf einem Abschnitt des Vulkanpfades, der den Berg umrundet.
Dann lichtet sich das Gelände. Uns begegnen Maulwurfshügel in großer Zahl. Den dazugehörigen Maulwurf haben wir nicht gesehen. Er gräbt ja im Verborgenen und lässt sich nur selten an der Oberfläche blicken. Wir bringen trotzdem mal ein Foto, da er ein so nettes (und auch gefährdetes) Tier ist.
Schließlich ragt die Burgruine des Hohentwiel unmittelbar vor uns auf. Ab 1521 wurde die zuvor mittelalterliche Burg zu einer für Kanonen geeigneten Festung ausgebaut. Die Obere Festung thront auf einem steilen Felsgipfel, der ehemaligen Quellkuppe des Vulkans, die den Schlot nach oben verschloss. Sie besteht aus Phonolith, einem relativ harten Vulkangestein, und wurde im Verlauf der Eruptionen zunächst von weicheren Vulkanaschen überdeckt. Diese erodierten später, die Quellkuppe blieb als Monolith stehen. An ihrem Fuß liegt vorgelagert die Untere Festung, die wir nun betreten. Verwitterte Gemäuerreste markieren den Eingangsbereich.
Wir sind früh am Morgen unterwegs, bevor die Anlage für Besucher öffnet. Also begnügen wir uns mit der frei zugänglichen, nach Süden orientierten Karlsbastion. Von dort genießen wir diesen prachtvollen Blick mit Alpenpanorama.
Ornithologen kommen gerne zum Hohentwiel, um mit ihren Teleobjektiven geduldig zu warten. Zu den vorkommenden Vogelarten zählen Raritäten wie Uhu, Wanderfalke, Neuntöter und Kolkrabe. Wir entdecken einen Rotmilan, der über dem verwitterten Eingang zur Burg am Eugentor seine Kreise zieht.
Den Abstieg treten wir durch den Tunnel an, durch den der gepflasterte Zuweg zur Festung für Fuhrwerke führte.
Nachdem wir den Tunnel passiert haben, wird der Blick nach Westen frei, über die Vulkanlandschaft des Hegau hinweg. Die insgesamt rund ein Dutzend Kegelberge entstanden im Miozän, vor etwa 12 bis 8 Millionen Jahren. Der Vulkanismus steht vermutlich im Zusammenhang mit der tektonischen Senkung des Oberrheingrabens.
Im Bogen kehren wir zum Aufstiegsweg zurück und folgen ihm abwärts zu unserem Ausgangspunkt. Bevor wir die ersten Häuser von Singen erreichen, verabschieden uns am Waldrand die baumwollartigen Früchte der Waldrebe mit ihren „Federbüschen“ aus cremeweißen Haaren. Sie haben sich den ganzen Winter über ansehnlich gehalten.
Unser Ausgangspunkt ist ein kleiner Parkplatz an der Schaffhauser Straße, am westlichen Ortseingang von Singen (GPS 47.756077, 8.821472). Dort befindet sich auch die Haltestelle Sauerbruchstraße für Stadtbus Linie 10 ab Bahnhof/ZOB und Regionalbusse 300/302 nach Hilzingen/Engen. Gegenüber vom Parkplatz schlägt man die Sauerbruchstraße ein und geht dann mehr oder weniger geradeaus, stets bergauf. Nach wenigen Minuten lässt man die letzten Häuser hinter sich. Die Festungsruine ist weithin sichtbar und nicht zu verfehlen. Einen Routenplan findest du bei Komoot.
Für die Besichtigung des Inneren der Burgs und damit auch für den Aufstieg bis zum Gipfel des Hohentwiels wird ein Ticket verlangt. Dieses gibt es nicht unmittelbar am Eingang, sondern am Besucherparkplatz an der Domäne Hohentwiel (GPS 47.766981, 8.818340). Der liegt am Nordabhang des Berges, gute 10 Minuten zu Fuß von der Burg entfernt. Dort startet auch der schon erwähnte Vulkanpfad rund um den Berg, den du an die vorgeschlagene Route anschließen kannst. Er führt am Ostabhang des Hohentwiels durch den 1923 begründeten Bannwald, der seither vollkommen sich selbst überlassen wird, abgesehen vom Freischlagen des Weges. Weitere Infos zum Hohentwiel und einen Lageplan siehe hier.